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SA. 5.7. 11–16 Uhr
Symposium

Für die Vögel

Begleitend zur Ausstellung vermittelt mit Künstler*innengesprächen und Vorträgen weitere naturwissenschaftliche, kunsthistorische und künstlerische Perspektiven auf die Vogelwelt.

Anmeldung

PROGRAMM

10.30 Uhr
Ankunft und Anmeldung

11 Uhr
Begrüßung
Thomas Thiel, Direktor und Kurator, MGKSiegen
Jessica Schiefer, Assistenzkuratorin, MGKSiegen

Ein kleiner Flug durch die Kunstgeschichte
Kunst aus der Vogelperspektive
Vortrag von Jessica Ullrich, Autorin und Honorarprofessorin für Kunstwissenschaft und Ästhetik, Kunstakademie Münster

12 Uhr
Künstlergespräch mit Jochen Lempert

13 Uhr
Imbiss und Pause

14 Uhr
Vom Leben in der Luft
Vortrag von Cord Riechelmann, Journalist, Biologe und Philosoph

15 Uhr
Künstler*innengespräch mit Chto Delat International
In englischer Sprache

15:30 Uhr
Künstlergespräch mit Peter Piller

16 Uhr
Ende

Eröffnung und Tagung sind kostenfrei. Zur Teilnahme an der Tagung bitten wir um Anmeldung per Online-Registrierung unter https://tickets.mgksiegen.de. Die Teilnahme an einzelnen Vorträgen ist selbstverständlich möglich.

 

BEITRAGENDE UND ABSTRACTS

Chto Delat International
Die Gruppe Chto Delat (Dt. Was ist zu tun?) wurde Anfang 2003 in St. Petersburg von einer internationalen Arbeitsgruppe aus Künstler*innen, Kritiker*innen, Philosoph*innen und Schriftsteller*innen aus St. Petersburg, Moskau, Nischni Nowgorod und Berlin gegründet. Die Gruppe fördert Integration durch den Einfluss von Aktivismus und politischer Theorie in ihrer Kunst. Ihre postsozialistischen Aufklärungen finden in öffentlichen Interventionen, Theaterstücken, Videos und Installationen Ausdruck. Seit die meisten Mitglieder des Kollektivs aufgrund ihrer Antikriegsposition im Jahr 2022 aus Russland emigrieren mussten, setzt das Kollektiv seine Tätigkeit als Chto Delat International fort und erweitert seine Gemeinschaft im Exil. Im Mittelpunkt des Gesprächs steht die mehrteilige Videoinstallation Canary Archives (Kanarienvogel Archive, 2022).

Jochen Lempert
ist studierter Biologe und war lange neben der künstlerischen Arbeit noch als Wissenschaftler tätig. Seit den 1990er Jahren fotografiert er Motive aus der Natur und Tierwelt unter künstlerischen Gesichtspunkten. Lempert arbeitet ausschließlich analog in Schwarzweiß. Seinen Fotografien und Fotogrammen verleiht das matte, kartonartige Fotopapier eine zusätzliche Objekthaftigkeit. Vogel- oder Schmetterlingsschwärme, Wasser- und Sedimentstrukturen, Wolken- oder Algenformationen rücken in sein Blickfeld. Lempert beschäftigt das Verhältnis von Natur und Kultur. In einigen Arbeiten gleicht sein Vorgehen dem enzyklopädischen Verfahren eines Wissenschaftlers. Doch meist kombiniert er seine Bildmotive eher assoziativ und schafft auf diese Weise neue Ordnungssysteme, die für die Vielfalt der Biologie begeistern.
Im Zentrum des Gesprächs stehen seine künstlerische Beschäftigung mit Mauerseglern ebenso wie sein Langzeitprojekt Skins of Alca impennis (Häute des Riesenalks, 1993–2016), das bereits vor 20 Jahren im Museum für Gegenwartskunst zu sehen war und inzwischen um 40 Motive erweitert wurde.

Peter Piller
ist Künstler, Fotograf, Spurensucher, Archivar und Rubensförderpreisträger der Stadt Siegen 2004. Seit 2018 lehrt er als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf und leitet dort die Klasse für Freie Kunst. Bereits während seines Studiums in Hamburg begann er mit der Arbeit am Archiv Peter Piller. Seitdem sammelte er Tausende von Bildern und Fotos aus Zeitungen, von Postkarten, aus dem Internet oder aus fotografischen Nachlässen. Diese ordnet er zu thematischen, formalen und teils sehr humorvollen Serien. Auf diese Weise schafft er ungesehene Zusammenhänge, offenbart visuelle Nebenschauplätze und lässt die Bilder miteinander sprechen. So entstand beispielsweise das auf 20.000 Aufnahmen basierende Luftbildarchiv „erde schöner”, an dem Piller seit 2002 arbeitete und das sich in Auszügen neben anderen Werken der Sammlung Gegenwartskunst des Museums für Gegenwartskunst Siegen befindet. Die Serie Behind Time (2017) von Peter Piller besteht aus eigenen Fotografien von Vögeln, die er ihn freier Wildbahn beobachtet hat wird ebenso diskutiert wie seine erstmalig gezeigte Werkgruppe von Collagen ergänzt, die auf Ausschnitten aus´einem historischen Vogelkundebuch basieren.

Cord Riechelmann
Vom Leben in der Luft

Im Element der Luft zu leben erfordert ganz andere Sensorien und Empfindlichkeiten als der immer schwerfälligere Landgang. Der junge Hegel, der später der Phänomenologe des Geistes und der Denker des menschlichen Selbstbewusstseins wurde, ahnte etwas davon, als er die Vögel von den anderen Tieren trennte, weil sie den Gesang (haben), den die anderen entbehren, weil sie dem Elemente der Luft angehören, – artikulierende Stimme, ein aufgelösteres Selbst“. Und die Stimme, das ist für den jungen Hegel „tätiges Gehör, reines Selbst, das sich als Allgemeines setzt; Schmerz, Begierde, Freude, Zufriedenheit ausdrückend, ist sie Aufheben des einzelnen Selbst, dort Bewußtsein des Widerspruchs, hier Zurückgekehrtsein in sich, Gleichheit“. Und viel schöner, als in dieser Aufzählung versammelt, kann man all das, was Vögel als Lebewesen der Luft mit ihrem Flug und ihrem Gesang den Menschen als Sehnsucht mehr oder weniger laut eingeflüstert haben, nicht sagen.

Jessica Ullrich
Ein kleiner Flug durch die Kunstgeschichte. Kunst aus der Vogelperspektive

Der Kunsthistoriker Werner Schmalenbach hat 2004 mit seinem Buch „Kleiner Galopp durch die Kunstgeschichte“ einen Überblick der künstlerischen Darstellung von Pferden durch die Jahrhunderte geliefert. Zwanzig Jahre später soll nun der Versuch gemacht werden, eine knappe Kunstgeschichte der Vögel zu erzählen, diesmal mit einem von den Animal Studies informierten Blick und einem Fokus auf der zeitgenössischen Kunst. Dabei soll nach Möglichkeit auch die Perspektive der Vögel selbst berücksichtigt werden.
Vögel sind von immenser Bedeutung für die menschliche Kunst und Kultur. Vogeldarstellungen finden sich bereits in prähistorischen Höhlen, Vogeleier wurden über Jahrhunderte als Bindemittel in vielen Malmaterialien verwendet und die ältesten erhaltenen Flöten wurden aus Vogelknochen gefertigt, wohl auch um damit Vogelgesang zu imitieren. Vogelfedern gehörten wohl zum ersten Schmuck, und der Vogelgesang wird als Ursprung menschlicher Musik diskutiert. Womöglich waren die ersten Tänze Imitationen von Balzverhalten, und die ersten Hütten könnten von Vogelnestern inspiriert worden sein. Technische Errungenschaften wie das Flugzeug wurden durch die Beobachtung von Vögeln angeregt.
Die dekorative Schönheit, symbolische Komplexität und naturgeschichtliche Relevanz von Vögeln inspirieren bis heute künstlerische Darstellungen, allerdings verschiebt sich der Fokus von Künstler*innen des 21. Jahrhunderts zunehmend hin zu ökologischen, sozialen, ethischen, ökonomischen und (bio)politischen Fragestellungen. Über die Beschäftigung mit lebenden oder toten Vögeln lassen sich Themen wie Artensterben, Klimawandel, Migration, Kolonialisierung, Urbanisierung, Digitalisierung sowie Fragen nationaler Identität ansprechen. Es soll gezeigt werden, wie Künstler*innen dabei Vögel zunehmend als sprichwörtliche „Kanarienvögel in der Mine“ einsetzen, um vor den drohenden Gefahren des Anthropozäns zu warnen.

 

 

iCal

Jochen Lempert, Vogel in der Hand (Zilpzalp), 1998, MGKSiegen, Sammlung Gegenwartskunst, Courtesy der Künstler

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