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Antoni Tàpies

Bild, Körper, Pathos

Das Museum für Gegenwartskunst Siegen widmet dem Katalanen Antoni Tàpies mit der Ausstellung „Bild, Körper, Pathos“ eine retrospektive Schau auf ein beeindruckendes künstlerisches Lebenswerk. Zu sehen sind 47 Gemälde aus über sieben Jahrzehnten, viele davon sind das erste Mal überhaupt in Deutschland präsentiert.

Antoni Tàpies, Graue Tür auf schwarzem Grund, 1961, Sammlung Lambrecht-Schadeberg, MGKSiegen, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

„Wie ein Forscher im Labor nehme ich als erster die Anregungen wahr, die der Materie entrissen werden können. Ich entlocke ihr Ausdrucksmöglichkeiten, auch wenn ich anfangs keine ganz klare Vorstellung habe, worauf ich mich einlasse. Während der Arbeit formuliere ich gleichsam meine Gedanken; aus dem Kampf zwischen Wollen und vorhandenem Material entsteht ein Gleichgewicht von Spannungen.“

Tàpies gehört zweifellos zu den Hauptvertretern der europäischen Malerei in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der zu Recht schon 1972 den 4. Rubenspreis der Stadt Siegen erhielt. Obwohl Deutschland in den 1960er und 1970er Jahren für die Rezeption des Werks von Tàpies sehr wichtig war, ist sein Spätwerk hier kaum bekannt.

Kuratorin Eva Schmidt konzipierte die Ausstellung für Siegen mit dem Fokus auf die doppelte Perspektive von Körperbild und Bildkörper. Das Frühwerk von Antoni Tàpies ist geprägt von eher konventionellen Selbstporträts, die Fragen um künstlerische Selbstfindung widerspiegeln. Mitte der 1950er Jahre entwickelte Tàpies eine neue konkrete Bildkörperlichkeit, indem er aus Sand, Marmorstaub und Leim die unverwechselbaren Materialbilder formte. Er integriert vielfach konkrete Gegenstände wie Kleider, Drähte oder andere Fundstücke in seine Bilder. Bei allem experimentellen Umgang mit dem Material taucht scheinbar unwillkürlich immer wieder das Bild des Körpers in den Tableaus auf, sei es in anthropomorphen Andeutungen, reliefhafter Plastizität oder eben dem Einbezug konkreter Gegenständlichkeit, die auf die Alltagswelt des Menschen verweist. Der Körper ist die äußerste Instanz der Erfahrung, in der Arbeit im Atelier ist er der Bezugspunkt des bildnerischen Schaffens. Schließlich ist der Rezipient aktiv an der Bildkonstitution beteiligt, weil er sich plötzlich auf sich selbst zurückgeworfen sieht und mit seinen eigenen existentiellen Grundbedürfnissen konfrontiert wird.

Tàpies entwickelt eine eindrucksvolle Ikonografie, die ebenso persönlich wie universell motiviert ist. In seinen Bildern tauchen immer wieder Buchstaben, Kreuze und andere Zeichen auf, die dem Betrachter einen weiten Assoziationsraum eröffnen. Wirken die Materialbilder fast physisch auf den Betrachter ein, so entfalten die jüngeren Bilder aus dem Spätwerk in ihrer Reduktion ebenfalls eine faszinierende Wirkung. Sie treten dem Rezipienten mit einer Intensität gegenüber, die einer magischen Anziehungskraft gleicht. Nach den materialüberbordenden Bildern der 1960er Jahre, bleiben die Leinwände der 1990er Jahre geradezu leer. Angeregt durch fernöstliche Philosophie kreiert Tàpies oft quadratische, fast farblose Bilder, die zu Kontemplation und Meditation einladen.

Die Ausstellung „Antoni Tàpies. Bild, Körper, Pathos“ ist in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler und der Fundació Antoni Tàpies in Barcelona entstanden und ging anschließend weiter ins Art Museum nach Reykjavík. Eine dritte Sation war das Musée d'art moderne de Ceret.

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