Cord Riechelmann studierte Biologie und Philosophie in Berlin. Er ist Autor unter anderem der Bücher "Krähen. Ein Porträt" (2013) und "Vögel. Vom Singen, Balzen und Fliegen" (2021). Er schreibt u.a. für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und das Philosophie Magazin.
Vom Leben in der Luft
Cord Riechelmann
Im Element der Luft zu leben erfordert ganz andere Sensorien und Empfindlichkeiten als der immer schwerfälligere Landgang. Der junge Hegel, der später der Phänomenologe des Geistes und der Denker des menschlichen Selbstbewusstseins wurde, ahnte etwas davon, als er die Vögel von den anderen Tieren trennte, weil sie den Gesang (haben), den die anderen entbehren, weil sie dem Elemente der Luft angehören, – artikulierende Stimme, ein aufgelösteres Selbst“. Und die Stimme, das ist für den jungen Hegel „tätiges Gehör, reines Selbst, das sich als Allgemeines setzt; Schmerz, Begierde, Freude, Zufriedenheit ausdrückend, ist sie Aufheben des einzelnen Selbst, dort Bewußtsein des Widerspruchs, hier Zurückgekehrtsein in sich, Gleichheit“. Und viel schöner, als in dieser Aufzählung versammelt, kann man all das, was Vögel als Lebewesen der Luft mit ihrem Flug und ihrem Gesang den Menschen als Sehnsucht mehr oder weniger laut eingeflüstert haben, nicht sagen.
Video: Ralph Goertz/iks-medienarchiv.de